Alles Urlaub - oder was?

Obwohl wir schon einen wunderbaren Tag in Melbourne verbracht haben, über den ich schreiben könnte, habe ich vielmehr das Bedürfnis, meine Gedanken zu unserer Reise einmal zu sortieren. Ein Zwischenstand nach zwei Monaten unterwegs. Vielleicht wird es viel Gerede um nichts- dann gerne einfach überspringen :)

Bevor wir losfuhren, hatten sich Viele auf unsere Reise als "den Urlaub" (alternativ "den langen Urlaub") bezogen. Ich selbst habe das nie so gesehen. 

Also: ist es nun einUrlaub oder nicht - oder was ist es? Oder ist es egal was es ist und es "ist" einfach.
(Ich glaube man merkt, dass ich heute meine erste Yogastunde seit Monaten hatte..)
Was unsere Reise aus meiner Sicht grundlegend von einem Urlaub unterscheidet ist die Tatsache, dass wir uns viele urlaubstypische Dinge nicht leisten. Nach Asien werden wir nun nicht mehr ständig  Essen gehen, und selbst in Asien waren wir glaube ich nur zwei Mal in einem "richtigen" Restaurant. Gestern haben wir das erste Mal auf unserer Reise eine Flasche Wein gekauft -und das nicht nur weil Asien nicht wirklich berühmt für gute Weine ist, sondern vielmehr, weil man für den Gegenwert eines alkoholischen Getränks auch eine Mahlzeit bekommen hätte. Das gilt natürlich auch für Schokolade (ich), Süßigkeiten (die Kids) und Kaffee (Michael). Auch haben wir weder Souvenirs noch Klamotten oder ähnliches gekauft. Bezahlte "Touristenattraktionen" oder Touren haben wir uns nur zu besonderen Anlässen, wie zum Beispiel Lucas oder meinem Geburtstag gegönnt (lies: uns schenken lassen).
Einerseits fühlt sich unsere Reise also nicht grundsätzlich wie ein Urlaub an, der ja eine Ausnahmesituation ist, in der man sich gerne mal was gönnt - ohne ständig zu überlegen, worauf man dafür verzichten muss. Andererseits hatten wir aber schon so oft Glück mit unseren Wohnungen und haben so viel gesehen und erlebt, dass es sich in vielen Momenten eben doch wie ein Urlaub anfühlt. Aber auch dann haben wir natürlich nicht nur chillen am Pool und sightseeing im Sinn, sondern fühlen uns dafür verantwortlich, dass die Jungs regelmäßig kleinere Pflichten übernehmen und auch etwas für die Schule tun. Das ist, wenn man ständig unterwegs ist und kein Tag dem anderen gleicht, wirklich eine Herausforderung. (Eine Herausforderung, der wir anscheinend nicht so richtig gerecht werden: beide Jungs geben zu Protokoll, dass sie in absoluter Uraubsstimmung sind. Obwohl wir gerade etwas Schule gemacht haben sind sie tiefenentspannt. Auch Michael sagt, dass er sich "immer mal wieder" wie im Urlaub fühlt -und alle diskutieren, ob die Zeit auf unserer Reise schnell oder langsam vergeht, wenn sie einerseits rast, wir uns andererseits aber schon an unsere letzte Unterkunft kaum noch erinnern können.)

Ich hatte ja, wie die meisten von euch wissen, vor der großen Reise viele Bedenken gehabt. Ganz nach dem Motto "never change a running system", überlegte ich häufig, warum man das Leben von vier Menschen komplett umkrempeln sollte, die in ihrem normalen täglichen Leben absolut glücklich sind. Ja, klar, Flucht vor dem Hamsterrad und so...aber ja doch mit dem Risiko, dass am Ende der eine oder andere unglücklicher ist als vorher. 

Bisher bestätigen sich meine Befürchtungen absolut nicht. Die Kinder sind glücklich und zufrieden und tolle Reisebegleiter. Ermüdende Situationen sind Abenteuer für sie und insbesondere Luca ist manchmal geradezu begeistert, wie viel mutiger er auf der Reise geworden ist. Es ist für mich als Mutter superschön, wenn er das selber bemerkt und es so sagt- ganz freudig und verwundert. Schon beschrieben habe ich ja, wie beiden Jungs (insbesondere in Thailand) aufgefallen ist, dass es sehr viele Menschen gibt, die mit sehr wenig leben und dass man auch für die einfachen Dinge wie ein gemütliches Bett oder regelmäßige Mahlzeiten dankbar sein kann. Auch das macht ein Stück weit glücklich, oder zumindest zufrieden. Hoffentlich nicht nur unterwegs, sondern erst recht dann wieder zuhause.

Es hört sich bestimmt merkwürdig (und hoffentlich nicht undankbar) an, wenn ich schreibe, dass mir das was wir hier machen inzwischen ganz normal, geradezu selbstverständlich, erscheint. Dabei war ich doch diejenige,die sich vor der Reise am meisten "einen Kopf gemacht" hatte. Nicht nur um das Wohl der Kinder, sondern ganz besonders auch um mich. (Hüstel!) 

Wie würde ich mit großer Armut umgehen können? Mit so vielen fremden Eindrücken? Ohne feste Bleibe? Mit nur 3 Hosen und einem Paar Schuhe? Was, wenn mein Asthma außer Kontrolle gerät? Wir alle gleichzeitig nachts im Zug Magen-Darm kriegen? Auf Busfahrten Reiseübelkeit? (Ihr macht euch ein Bild...)
Dieser ganze mindfuck (entschuldigt!) nur, um dann direkt mit unserer Landung in Bangkok das Gefühl zu haben, dass wir nie anders gelebt hätten. Alles fühlte sich für mich vom ersten Moment so natürlich an, als seien wir ein Leben lang schon gemeinsam unterwegs. Jede neue Bleibe (von dem Hotel in Chiang Mai abgesehen) wurde sofort zu einem Zuhause, jede neue Stadt direkt zu einer Heimat. Und tatsächlich habe ich das Gefühl, wir "sind" einfach. Klar planen wir (den einen oder anderen Ausflug, Schulzeiten für die Kinder,..), aber hauptsächlich ist alles einfach wie es ist und es ist gut so. Keine Sorgen über Zukünftiges und kein Bedauern um Vergangenes. (Das ist die allgemeine Stimmung- und bedeutet natürlich nicht, dass nicht trotzdem mal der eine oder die andere schlechte Laune hat oder genervt ist.)

Während Michael beim Reisen eher daran interessiert ist, bestimmte Dinge zu sehen, zu erleben, zu erkunden (Dschungel, Gebirge, Architektur, Tempel,...), könnte ich auch gerne an einem Ort bleiben,dort leben, und vielmehr sehen und beobachten, was das mit mir macht. So hatte ich überlegt, ob mit dem Verlassen unseres süßen Häuschens in Idstein, dem Zurücklassen von liebgewonnenem Luxus, dem ständigen Umherziehen... also, ob "Loslassen" ein Thema für mich oder uns werden würde. Noch merke ich nichts davon. Klar genießen wir es alle, wenn wir mehr als ein Zimmer haben, aber auch von der schönsten Wohnung oder dem größten Pool haben wir uns leichten Herzens getrennt- und uns zu viert in ein Zimmer gequetscht. Anscheinend hängen wir alle nicht allzusehr an Materiellem. 

Fehlen tut mir hingegen meine Yogapraxis. Ich habe es in den letzten 2 Monaten vielleicht dreimal geschafft, meine Reiseyogamatte aufzufalten (...also um Yoga zu machen- und nicht um undichte Fenster abzudecken). Eine Yogastunde heute in der Pfadfinderhalle gegenüber unserer Wohnung hat mich sehr glücklich gemacht. Mit dem Glück scheint es bei mir also wie immer und überall zu sein: es kommt, wann es mag, auch in den unspektakulärsten Momenten, einfach weil die Sonne scheint, die Kinder lachen oder der "Atem fließt" :) 
Zusammenfassend ist unsere Reise bisher tatsächlich für die Kinder wie ein Urlaub, für uns hingegen eine Lebensform. Und ja: das ist natürlich ganz egal- solange wir alle glücklich sind...

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