Brunswick, endlich mal Alltag

Also, ich habe ja in den 1950er Jahren noch nicht gelebt - aber so wie in Brunswick West stelle ich mir das Leben in den 50ern vor. Und wenn man den Berichten des wunderbaren Reiseschriftstellers Bill Bryson Glauben schenken darf, trifft das auf alle Städtchen (und Vororte?) in Australien zu.

Die niedrigen, alten Häuschen, die Parks, die kleinen Lebensmittellädchen, das klitzekleine Haus der Pfadfinder, in dem auch Yoga unterrichtet und Spielzeug verliehen wird (Toys Library), die Straßenschilder, die Menschen, die sich (und uns) auf der Straße grüßen, als würde man sich ein Leben lang kennen und mögen. Wir haben uns hier direkt zu Hause gefühlt.

Gut, als wir die ersten Schritte in unsere neue Bleibe taten, waren wir doch einen kurzen Moment erschrocken. Nach dem supermodernen Singapur und Malaysia kamen wir hier in eine winzige Wohnung, in der sich auch seit den 60er Jahren nicht mehr viel getan hatte. In der Wohnung lebt eine ältere Dame, die immer wenn sie Gäste hat zu ihrer Tochter zieht. Dementsprechend sind die Schränke natürlich voll und der übliche Kram, für den man bei sich selbst nie einen vernünftigen Platz findet, liegt auch hier rum. Außerdem roch es schwer nach Staub und alten Möbeln. Michael und ich sind von dem Ausziehsofa in der Wohn-/Schlafküche auf den Boden umgezogen, was mir ziemliche Kreuzschmerzen beschert -und wenn wir hier liegen ist die Wohnung voll :)

 Allerdings war Val so toll, dass sie uns extra Lebensmittel gekauft hatte für ein erstes Nachtmahl und ein Frühstück, und sie kommt regelmäßig vorbei, um Kaffee, Spülmittel, Waschpulver,... vorbeizubringen - oder um den Staubsaugerbeutel zu leeren. Wir dürfen alle Gewürze, Mehl Backpulver, .. nutzen - also habe ich direkt mal Muffins gebacken und endlich mal wieder was vernünftiges gekocht.

Vor der Tür ist ein kleines Korbsofa, auf dem wir morgens unseren Kaffee und abends ein Gläschen Wein genießen, mit Blick in den Park. Im Park gibt es einen kleinen aber feinen Spielplatz und die Kinder können sich beim Fußballspielen austoben. Eine hübsche Bücherei ist 5 Minuten Fußweg von hier entfernt - und trotz englischsprachiger Comics und Bücher sitzen die Jungs dort wie festgebunden und lesen, während wir irgendwas im Internet recherchieren oder ausdrucken können und ich mich an australischen Zeitschriften erfreue.

Auch Sydney Road ist nicht weit entfernt - eine hübsche Straße mit vielen schönen Lädchen, netten Cafes und einer Menge Kneipen. Nichts was jetzt wirklich für uns von Belang wäre, aber es ist schön, dort einfach entlang zu schlendern und mit allen Sinnen australisches Leben aufzusaugen. Auf dem Weg zur Sydney Road waren wir allerdings doch einmal richtig "kampfshoppen" - zum ersten Mal seit Beginn unserer Reise. Dort gibt es nämlich einen riesigen Laden, der Nüsse und Trockenfrüchte verkauft. Eigentlich ist es ein Großhändler - man kann 5kg Macadamias zum Schnäppchenpreis von $ 200 kaufen - aber es gibt auch kleinere Mengen dort, und vor allem so tolle Sachen wie Tahin, Mandelmus und Kokoscreme zu wirklich guten Preisen.

Das Klima ist "lustig": Melbourne sei berühmt für die "Four seasons in one day", wie uns gestern eine Frau im Park erzählt hat. Für uns ist es extrem schön - mal ein frischer Wind, dann gleißender Sonnenschein.. Die Sonne ist wesentlich stärker als in Asien. Während wir dort eigentlich nie Sonnencreme benutzt hatten, muss man hier gar nicht darüber nachdenken: Die Haut fängt gleich an zu brennen - und fast jeder trägt hier einen Sonnenhut - und ständig eine frische Schicht Creme auf. Das Klima in Asien hatte allerdings den Vorteil, dass ich dort überhaupt keinen Heuschnupfen hatte - der sich hier jetzt lautstark wieder zu Wort meldet :(

Heute morgen meinte sogar Michael, der den ganzen Hype um Australien nie verstanden hatte (und jetzt nur hier ist, weil Australien halt "auf dem Weg" lag), dass er merkt, warum Menschen hierher auswandern. Ein bisschen liegt das bestimmt daran, dass wir uns nach Asien jetzt wieder auf uns bekannterem Terrain bewegen, und uns hier natürlich heimischer fühlen als wir das in den letzten Monaten irgendwo getan haben - aber es liegt bestimmt auch an dieser wunderbaren Stimmung hier.

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Kommentare: 1
  • #1

    Vicky (Samstag, 03 Dezember 2016 20:57)

    Schöner Bericht Alex! Macht so Spaß beim Lesen "mit zu reisen"